Die Kunst zur Geschichte

„Kochen mit Michael“

Kochen mit Michael

Die Geschichte von

Norbert T.

Norbert liebt seinen Stammplatz. Direkt vor der Haspa am Rathaus. „Da muss man nicht lange warten, bis einer vorbeikommt. Die Leute kommen von allen Seiten, aus der U-Bahn, aus der S-Bahn und aus allen Richtungen“, sagt der Slowake mit dem harten Akzent. „Und ich erfahre immer, was in der Stadt so los ist.“ 

Nicht weit weg, zwischen Nikolaikirche und Großem Burstah, hat der 38-Jährige vor Jahren Platte gemacht. Das Allianz-Gebäude am Großen Burstah sollte abgerissen werden, stand aber ewig leer. Ein idealer Ort für Obdachlose: Um die 30 Menschen hatten sich dort Verschläge gebaut. Sogar im Abgang zur Tiefgarage schliefen sie. Als sie vertrieben wurden, ging Norbert zurück zu seinem Platz am Dammtor.

Momentan hat er allerdings eine Unterkunft. Mit Michael, einem an-deren Hinz&Künztler, bewohnt er ein Zimmer im Hinz&Kunzt-Winterprogramm. Das sind angemietete Monteurzimmer mit Bad und Pantry. „Ich kann jetzt immer richtig durchschlafen. Auf der Straße machst du oft kein Auge zu. Du weißt ja nie, wer da vorbeikommt.“ „Hier weiß ich: Die Tür ist zu.“ 

Fast jeden Abend kochen die beiden. Neulich gab’s Kartoffeln und panierten Blumenkohl. „Das ist schon was anderes als diese Fertiggerichte, die ich mir draußen auf meinem Gaskocher mache“, sagt er. In ein paar Tagen hat Micha Geburtstag. Kann sein, dass Norbert dann Gulasch mit Knödeln auf den Tisch bringt. Das hört sich fast idyllisch an. Zumal wenn man Norberts sonstiges Leben kennt. 

Geboren ist er 1980 in einem kleinen Ort in der Slowakei. Als er drei Jahre alt ist, verschwindet seine Mutter auf Nimmerwiedersehen. Was genau passiert ist und warum sie ihn verlassen hat, weiß Norbert nicht. Der Kleine hat immerhin noch seinen Vater und seine Oma, aber offensichtlich waren beide überfordert. Von 1989 bis 2001 lebt er im Heim. Immerhin hat er dort seinen Schulabschluss gemacht und eine Lehre zum Maler und Lackierer absolviert. 

Die Arbeitslosigkeit in seiner Gegend war extrem hoch, erzählt er. Und stabil war er sowieso nicht. 1999 starb seine Oma, kurze Zeit später sein Vater. Der Tod der beiden nahm ihm den letzten Halt. Er stürzte regelrecht ab. 

„Ich habe viele Dummheiten gemacht“, räumt Norbert ein. In Österreich, Berlin und Hannover versuchte er sein Glück. „Ich wollte neu anfangen“, sagt er. Das war vor 15 Jahren. Aber es klappte nicht. Er war alkoholkrank und kaufsüchtig. Damals hatte er noch eine Wohnung, und er bestellte immer mehr Pakete im Internet. „In den ersten Tagen war das immer schön“, sagt Norbert. Der Haken: Er konnte nicht bezahlen. „Ich kam ins Gefängnis, wieder raus, und wieder rein.“ 

Irgendwann merkte er: „Ich bin zu alt für solchen Blödsinn.“ Wieder machte er einen Schnitt. 2011 ging er nach Hamburg – auf die Straße. „Ich habe gebettelt, davon konnte ich halbwegs überleben“, sagt er. Inzwischen verkauft er auch Hinz&Kunzt. Stabil ist er immer noch nicht. „Aber ich habe seitdem nichts Kriminelles mehr gemacht.“ Und er hat schon viel geschafft: „Ich trinke nicht mehr so viel. Nur noch Bier und ganz selten Schnaps“, sagt er stolz. 

Norbert verkauft vor der Haspa am Rathaus.

Noch mehr von Norbert:

Credits:
Text: Birgit Müller
Foto: Mauricio Bustamante

30 Kunstwerke, geschaffen von 30 Hinz&Künztlerin:innen

Für weitere Informationen klicke einfach auf eines der folgenden Kunstwerke.

Am 22. November wurde ein Teil der Homeless Gallery zusammen mit zahlreichen Kunstwerken und Auktionslosen, die namhafte Künstler*innen gespendet hatten, versteigert. Mehr als 40.000 Euro kamen an diesem Abend für das Straßenmagazin Hinz&Kunzt zusammen.

 

Die Werke der Homeless Gallery, die im Rahmen der Auktion aufgrund der Vielzahl nicht unter den Hammer kommen konnten, können ab sofort über einen Auktions-Nachverkauf erworben werden.

Jedes Bild aus der Homeless Gallery ist ein Unikat, zu dem es ein Echtheitszertifikat gibt. Alle Erlöse des Nachverkaufs fließen vollständig an Hinz&Kunzt, die gemeinsam mit einer Hamburger Stiftung neuen Wohnraum für Obdachlose schaffen.

„Wir freuen uns sehr, über das große Interesse an der Homeless Gallery und den Lebensgeschichten ihrer Künstlerinnen und Künstler”, sagt Hinz&Kunzt Geschäftsführer Jörn Sturm. „Es zeigt, dass wir mit der Ausstellung einen Nerv getroffen haben und dass die Menschen unseren Einsatz für Obdach- und Wohnungslose schätzen. Natürlich sind wir sehr glücklich über den Erlös, den die Versteigerung eingebracht hat, und möchten uns herzlich bei allen Besucher*innen, Mitbietenden und Käufer*innen bedanken.”

Auch eine kleine Auswahl an weiteren Kunstwerken kann noch erworben werden. Der Nachverkauf-Katalog ist hier zu finden: