Die Kunst zur Geschichte
„Eine stürmische Nacht“
Die Geschichte von
Peter Konken
Ich bin seit Ewigkeiten St.-Pauli-Fan. Was mich im Moment richtig glücklich macht, ist meine Freundin aus der Ukraine. Sie ist 18 Jahre jünger als ich und kann unwahrscheinlich gut tanzen. Sie war Tänzerin im Bolschoi-Theater. Ich hätte nie gedacht, dass ich mit 63 noch so jemanden abkriege. Mit ihr war ich jetzt das erste Mal seit 15 Jahren auf der Reeperbahn, da haben wir eine Nacht durchgemacht. Wir waren alleine auf der Tanzfläche, und weil sie sich so gut bewegen kann, haben die Leute geklatscht.
Jetzt geht es mir gut, jetzt lebe ich mein Leben. Aber ich war auch schon kurz davor, in die Elbe zu springen. Wenn du obdachlos bist und nicht mehr weiterweißt, dann denkst du oft: „Warum lebst du noch?“
Aber da habe ich immer gerade noch die Kurve gekriegt. Der Gedanke an meine Tochter hat mir geholfen. Die konnte ich nach der Trennung nicht mehr sehen …
Aber als sie 22 war, hat sie mich über einen Hinz&Kunzt-Artikel tatsächlich gefunden und mit mir Kontakt aufgenommen. Sie hat mir eine CD gebrannt mit all ihren Erinnerungen, die sie an mich hatte, bis sie sieben war: mit einem Lied von Eros Ramazzotti und den Bildern, als wir damals auf Mallorca waren, vom ersten Flug und Silvester. Seitdem haben wir wieder regelmäßigen Kontakt. Ich habe mittlerweile sogar eine Enkeltochter. Sie ist neun und sagt immer „Opa Elbe“ zu mir.
Groß geworden bin ich im Dorf, da hatte ich eine ganz normale Kindheit. Nach der Schule habe ich eine Lehre zum Tischler gemacht, danach bin ich auf Montage gegangen. Ich war glücklich, habe gutes Geld verdient, war verheiratet. Weil ich aber oft verreist war, ging irgendwann die Ehe in die Brüche, und mit mir ging es bergab. Ich hatte keine Lust mehr zu arbeiten, musste aus dem Haus raus und übernachtete ab da in meinem geleasten Fahrzeug. Bis mir ein Polizeiwagen entgegenkam. Mein Wagen war zur Fahndung ausgeschrieben. Da ich die Leasingraten nicht zahlte, wurde er mir abgenommen. Ich kaufte ein Zelt, zwei Schlafsäcke und ging in Hamburg an die Elbe. Dort habe ich zwei Jahre gezeltet. Zu der Zeit habe ich auch angefangen, Hinz&Kunzt zu verkaufen.
Ich verkaufe immer noch Hinz&Kunzt. Ich mag besonders den Kontakt zu meinen Kunden. Sie sagen auch immer, dass ich so eine Positivität ausstrahle, sogar wenn es draußen grau ist. Aber ja, was soll ich denn anderes machen? Es kann ja immer nur besser werden. Und mir geht es aktuell super. Blendend. Echt jetzt. Ich habe eine Traumwohnung und ein Naturschutzgebiet direkt vor der Haustür. Da bin ich viel an der Elbe spazieren und gucke den Rehen beim Fressen zu. Und ich kümmere mich um meinen Wohnwagen an der Ostsee. Hab’ den Stellplatz und den Wagen von einem älteren Mann geschenkt bekommen. Das ist mein festes Zuhause im Sommer.
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Audio-Interview:
Credits:
Text: Simone Deckner
Foto: Andreas Hornoff