Die Kunst zur Geschichte

„Innere Reflexion“

Innere Reflexion

Die Geschichte von

Jörg Petersen

Ich habe gehört, du bist Autogrammjäger?

Jörg Petersen: Ich bin Sammler. Ich sammle seit fast 20 Jahren Autogramme. Ich habe auch den Sänger von „Unheilig“ zwei, drei Mal getroffen. „Der Graf“ hat mich ins Hotel eingeladen, um mit mir etwas zu trinken. Er wollte wissen, wie ich zu seiner Musik gekommen war, und das habe ich ihm erzählt. Bei der Trauerfeier meines Bruders lief ein Stück von ihm: „Mein Stern“. Der Graf war fasziniert davon, dass man ein Stück aus seinem Repertoire nimmt, um es in einer Kirche zu spielen, da seine Band doch „Unheilig“ heißt. Zwei Jahre nach unserem Gespräch trafen wir uns zufällig in Hamburg auf der Straße und er sprach mich mit meinem Namen an, das war schon der Hammer.

Du hast sechseinhalb Jahre auf der Straße gelebt und hattest den Kontakt zu deiner Familie abgebrochen. Wie hast du da vom Tod deines Bruders erfahren?

Jörg Petersen: Zu meiner Mutter hatte ich eigentlich immer ein gutes Verhältnis, zu meinem Vater weniger. Er war der Grund, warum ich von zu Hause abgehauen bin. Irgendwann habe ich dann mal meine Mutter angerufen. Sie erzählte mir, dass mein jüngster Bruder verunglückt war. Und sie erzählte mir auch, dass mein Vater verstorben war.

Beide Nachrichten auf einmal?

Jörg Petersen: Ja. Am selben Tag. Im Januar 2008 ist mein Vater verstorben. Mein Bruder wurde im Februar 29 Jahre alt, ist dann im März verunglückt und im Juli verstorben. Das war eine harte Zeit. Nach dem Tod meines Bruders sind wir drei von der Familie übrig geblieben. Mein anderer Bruder Ulf, meine Mutter und ich. Nach der Trauerfeier habe ich es langsam geschafft, wieder auf die Beine zu kommen. Wir sind eng zusammengewachsen. Wir haben gesagt: „Wenn wir jetzt nicht füreinander da sind, wann dann?“ Und das ist eigentlich das Schöne: Die Trauerfeier und die Beerdigung haben die Familie wieder zusammengeholt.

Und das hält bis heute?

Jörg Petersen: Ja, das hält bis heute.

Inzwischen hast du wieder eine Wohnung. Aber wie war die Zeit auf der Straße für dich? 

Jörg Petersen: Es war hart. Ich hatte das Gefühl, nichts wert zu sein. Ich wurde beschimpft und zusammengetreten. Keine schönen Erinnerungen. Auf der anderen Seite hatte ich aber auch gesagt: „Hier bin ich frei, hier kann ich ich sein, hier sagt mir keiner etwas.“ Keine Ahnung, ob es Gottes Fügung war. Aber wenn ich ganz unten gewesen bin, passierte immer irgendetwas, wodurch ich dann doch wieder positiv mit dem Leben umgehen konnte.

Was meinst du mit „ganz unten“? 

Jörg Petersen: Ganz unten heißt, wenn du dich aufgibst. Wenn du meinst, es geht nichts mehr. Wenn du vor einem großen Abhang stehst. Irgendwas hat mich da immer wieder rausgeholt.

Du hast von Gottes Fügung gesprochen. Bist du ein gläubiger Mensch? 

Jörg Petersen: Ich glaube für mich, ich gehe nicht in die Kirche und bin auch nicht in der Kirche. Aber es muss da irgendwie eine Macht geben, die auf dich aufpasst, dich beschützt. Wenn der Mensch in der Not ist, fängt er doch wieder an zu glauben. Und wahrscheinlich ist es eine Fügung gewesen, dass ich jetzt bei den diakonischen Diensten im Seniorenheim arbeite.

Die Stelle hast du von einem Kunden vermittelt bekommen, der von dir immer seine Hinz&Kunzt gekauft hat. Erfüllt dich dein Beruf? 

Jörg Petersen: MeinBeruf macht mich wahnsinnig glücklich, weil ich den Menschen, mit denen ich zu tun habe, etwas Gutes tun kann. Ich bin für die sozialen Momente da, für das soziale Leben. Ich mache mit den Senioren Gedächtnistraining, Plattdeutschrunden, Zeitungsrunden, Raterunden und Einzelgespräche. Das gibt einem so viel Kraft und so viel Freude.

Noch mehr von Jörg:

Credits:
Text: Jonas Füllner
Foto: Mauricio Bustamante

30 Kunstwerke, geschaffen von 30 Hinz&Künztlerin:innen

Für weitere Informationen klicke einfach auf eines der folgenden Kunstwerke.

Am 22. November wurde ein Teil der Homeless Gallery zusammen mit zahlreichen Kunstwerken und Auktionslosen, die namhafte Künstler*innen gespendet hatten, versteigert. Mehr als 40.000 Euro kamen an diesem Abend für das Straßenmagazin Hinz&Kunzt zusammen.

 

Die Werke der Homeless Gallery, die im Rahmen der Auktion aufgrund der Vielzahl nicht unter den Hammer kommen konnten, können ab sofort über einen Auktions-Nachverkauf erworben werden.

Jedes Bild aus der Homeless Gallery ist ein Unikat, zu dem es ein Echtheitszertifikat gibt. Alle Erlöse des Nachverkaufs fließen vollständig an Hinz&Kunzt, die gemeinsam mit einer Hamburger Stiftung neuen Wohnraum für Obdachlose schaffen.

„Wir freuen uns sehr, über das große Interesse an der Homeless Gallery und den Lebensgeschichten ihrer Künstlerinnen und Künstler”, sagt Hinz&Kunzt Geschäftsführer Jörn Sturm. „Es zeigt, dass wir mit der Ausstellung einen Nerv getroffen haben und dass die Menschen unseren Einsatz für Obdach- und Wohnungslose schätzen. Natürlich sind wir sehr glücklich über den Erlös, den die Versteigerung eingebracht hat, und möchten uns herzlich bei allen Besucher*innen, Mitbietenden und Käufer*innen bedanken.”

Auch eine kleine Auswahl an weiteren Kunstwerken kann noch erworben werden. Der Nachverkauf-Katalog ist hier zu finden: