Die Kunst zur Geschichte
„Versackt“
Die Geschichte von
Joachim D.
Wer schon mal mit vollen Einkaufstüten rückseitig ins Alsterhaus spaziert ist, kennt Achim. Seit rund 15 Jahren hat der 57-Jährige hier seinen Stammplatz. Und allen öffnete er die Tür – bis die Coronapandemie ausbrach. „Seitdem halte ich deutlich Abstand“, sagt Achim, der sich an seinem Verkaufsplatz trotzdem sehr wohlfühlt. „Nach so vielen Jahren habe ich viele treue Stammkunden“, freut sich der große, hagere Hinz&Künztler.
Seit 21 Jahren verkauft der waschechte Hamburger, der beim Reden über jeden spitzen Stein stolpert, inzwischen Hinz&Kunzt. „Ich hatte damals die Schnauze voll von meinem alten Leben“, erinnert sich Achim. Das bestand aus Drogen, Alkohol und Diebstählen und führte ihn regelmäßig hinter Gitter. Aus diesem Teufelskreis habe ihn erst Hinz&Kunzt befreit. Seitdem hat er einen klar strukturierten Tagesablauf und wieder eine Aufgabe. „Ich bin zwar immer noch süchtig“, sagt Achim. „Aber ich bin jetzt 57. Ich kann nicht mehr wie früher. Ich bin froh, wenn ich einen kiffen kann und mit ein paar Kaltgetränken vor meiner Xbox sitze und daddle.“ Nur noch selten käme es vor, dass ihm „richtig der Helm brennt“.
Dass er versucht, seinen Stress mit Drogen zu bewältigen, zieht sich durch sein Leben. Nach seinem Hauptschulabschluss jobbte er fast zehn Jahre im Hafen. „War die schwerste Arbeit in meinem Leben. Was ich da alles verladen habe: Kaffee, Zucker, Baumwolle …“ Und trotzdem gerät er rückblickend ins Schwärmen. „Es war die geilste Zeit. Immer am Wasser. Und im Sommer habe ich schön braun ausgesehen.“
Aber nach Feierabend ging es zu Kolleg*innen und Freund*innen. Abschalten. Feiern. Anfangs mit Marihuana und Alkohol. Später auch mit harten Drogen. Mit Ende 20 hing er an der Nadel. Eine Zeit lang ließen sich Job und Partyleben noch kombinieren. „Aber wenn du richtig auf Drogen bist, hast du keine Chance“, sagt Achim, der mit Anfang 30 schließlich auf der Straße landete.
Anfangs finanzierte er sich den Drogenkonsum noch durch Gelegenheitsjobs. „Dann bin ich einbrechen gegangen, hab andere betrogen“, erzählt Achim ziemlich frei raus. Natürlich wurde er erwischt. Seine Strafen hat er abgesessen. Rückblickend bezeichnet er diesen Lebensabschnitt als „mein anderes Leben“. Denn nicht nur die Drogen hat er halbwegs in den Griff bekommen. Auch von der Straße ist Achim längst weg. Seit acht Jahren hat er eine eigene Wohnung. „Ich gebe mir alle Mühe“, sagt Achim. „Das was ich jetzt habe, will ich nicht mehr verlieren.“
Achim verkauft Hinz&Kunzt am Alsterhaus in der Poststraße.
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Credits:
Text: Jonas Füllner
Foto: Mauricio Bustamante