Die Kunst zur Geschichte
„Seiten der Hoffnung“
Die Geschichte von
Chamkauer S.
Noch vor einem dreiviertel Jahr schlief Hinz&Künztler Chamkauer im Freien. „It was a hard time“, sagt der Inder, der ein Mischmasch aus Deutsch und Englisch spricht. Ein anderer Obdachloser habe ihn schließlich auf Hinz&Kunzt aufmerksam gemacht. Ein Glücksgriff. „Ich liebe meine Arbeit“, sagt Chamkauer und lächelt.
Er kramt sein Telefon hervor, wischt über den Bildschirm und startet ein selbst gedrehtes Video. Die Kamera schwenkt über einen Supermarkt-Parkplatz. „Dort gibt es essen. Dort Berliner“, sagt Chamkauer und zeigt aufgeregt auf zwei Imbisswagen. Jetzt sieht man den Supermarkt. Chamkauer stoppt das Video, zoomt ins Bild und zeigt mit dem Finger auf den Eingang. „Und da stehe ich“, sagt der 43-Jährige. Seine Stimme klingt so stolz, als würde er gerade ein neues Auto vorführen.
Für den Hinz&Künztler ist das, was er dort präsentiert, sogar größer. Der Magazinverkauf hat ihm, der sich mit Gelegenheitsjobs in Restaurants durchschlug, Türen geöffnet. Zuvor landete Chamkauer immer wieder auf der Straße, wenn er mal wieder kein Geld erhielt. Einen Arbeitsvertrag besaß er nie.
Mit dem Verkauf des Magazins verdient er jetzt regelmäßig Geld. Nicht viel, aber er kann eine kleine Zimmermiete zahlen. Wenn Geld übrig ist, schickt Chamkauer es an die Familie. Seine Frau und sein inzwischen elfjähriger Sohn leben in der Grenzregion zu Pakistan. Ein „Pulverfass“ laut Bundesamt für Migration. Kämpfe zwischen Militär und Separatist:innen gehören zur Tagesordnung, bestätigt auch Chamkauer, der der religiösen Minderheit der Sikhs angehört. Die Regierung reagiere mit Ausgangssperren und Straßenblockaden. „Ein großes Problem“, so Chamkauer. Als Bauer habe er seine Erzeugnisse nicht mehr verkaufen können. Manchmal hätten sie nur von dem gelebt, was vor dem Haus wuchs. „Eating, finish“, sagt Chamkauer und verdeutlicht mit einer Armbewegung, wie er von der Hand in den Mund lebte.
Seine Hoffnung hieß deswegen vor fünf Jahren Europa. Seine Mutter und sein Bruder würden sich jetzt um die Familie kümmern, sagt der Hinz&Künztler, der nur noch per Post Kontakt in die Heimat halten kann. Eine Folge des andauernden Grenzkonflikts: Die Regierung hat Internet-und Telefonleitungen gekappt, um die Kommunikationswege der Separatist:innen in der Region zu blockieren.
Es hätte nicht viel gefehlt und Chamkauers Traum von einem besseren Leben wäre auf Hamburgs Straße zerplatzt. Das habe ihm sehr zu schaffen gemacht, sagt er. Dank Hinz&Kunzt schöpft er nun neue Hoffnung. Auch darauf, langfristig in Deutschland bleiben zu dürfen. Allerdings: Bislang besitzt er nur eine Duldung. Seine Chancen auf ein Bleiberecht stehen schlecht. Chamkauer ist trotzdem zuversichtlich. Sein Wunsch? „Ich würde gerne meine Frau undmeinen Sohn zu mir nach Deutschland holen“, sagt er und strahlt über das ganze Gesicht.
Chamkauer verkauft Hinz&Kunzt in Steilshoop.
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Credits:
Text: Jonas Füllner
Foto: Mauricio Bustamante