Die Kunst zur Geschichte
„Ich und der Papst“
Die Geschichte von
Eugene C.
„Keiner wird als Rassist geboren.“ Der brutale Polizeieinsatz, der Ende Mai zum Tod des Afroamerikaners George Floyd in Minneapolis (USA) führte, löste weltweit Proteste gegen Rassismus aus. Auch in Hamburg gingen am 6. Juni Tausende unter dem Motto „Black Lives Matter“ auf die Straße – „Schwarze Leben zählen“.
Eugene war dabei. Der 50-Jährige ist einer der wenigen Schwarzen unter den Hinz&Kunzt-Verkäufer*innen. Ende 2016 stieß der gebürtige Nigerianer zu Hinz&Kunzt. Auch auf Hamburgs Straßen erlebt er immer wieder Ausgrenzung: „Die Charakterzüge des Polizeibeamten in Minneapolis findet man leider überall auf der Welt“, sagt Eugene auf Englisch, seiner Heimatsprache, mit der er sich im Gespräch sicherer fühlt. „Ich bin viel gereist, habe in unterschiedlichen Ländern gelebt und muss sagen: ‚Rassismus ist ein weltweites Problem.‘“
Deswegen begrüßt er die aufkeimenden Proteste. Sie geben ihm Hoffnung. „Noboby is born a racist“, sagt Eugene – keiner wird als Rassist geboren. „Bringt man ein schwarzes und ein weißes Baby zusammen, dann spielen und lachen sie. Erst die Gesellschaft und ihre Ausschlüsse führen dazu, dass Menschen sich hassen und ablehnen.“
Oftmals müssten vor allem die leiden, die sowieso schon am Rande stehen. Eugene weiß, wovon er spricht: Noch vor vier Jahren lebte er in der Notunterkunft Pik As. Dann kam es zu einem Wendepunkt in seinem Leben: Mit rund 100 anderen Obdachlosen aus Hamburg durfte der gläubige Christ 2016 einer Einladung des Papstes nach Rom folgen. Unterwegs kam er in Kontakt mit Hinz&Kunzt-Sozialarbeiter Stephan Karrenbauer, der ihm später einen Platz im damaligen Hinz&Kunzt-Winternotprogramm vermittelte.
Für Eugene ein echter Neustart. Der einst erfolgreiche Geschäftsmann war tief gestürzt. Ursprünglich kam er vor bald zehn Jahren nach Europa, um sein Geld in der Bekleidungsbranche zu verdienen.
Anfänglich lief es gut. In Athen hatte er eine eigene Boutique. Doch auf dem Höhepunkt der griechischen Finanzkrise Mitte der 2010er-Jahre geriet Eugene in eine finanzielle Schieflage und musste sein Geschäft aufgeben. Wie viele andere suchte er sein Glück in Deutschland. Aber er fand keine Arbeit, erkrankte zudem und endete als Asylbewerber ohne echte Perspektive.
Erst die Romreise wendete sein Leben zum Positiven. Nach dem Ende des Hinz&Kunzt-Winternotprogramms fand er gar eine Wohnung und damit den Weg raus aus der Obdachlosigkeit.
Während sich sein Leben unglaublich schnell veränderte, macht er sich bezogen auf die Gesellschaft keine Illusion. „Rassismus entstand nicht von einem Tag auf den anderen“, sagt Eugene. „Das Problem entwickelte sich über Generationen. Es wird lange dauern, um den Rassismus wieder aus den Köpfen der Menschen zu bekommen.“ Trotzdem ist Eugene angesichts der Proteste optimistisch: „Wenn ich mich jetzt umschaue und sehe, was gerade passiert, dann muss ich sagen: ‚Die Reise hat begonnen.‘“
Eugene verkauft Hinz&Kunzt vor Rewe in der Max-Brauer-Allee.
Noch mehr von Eugene:
Credits:
Text: Jonas Füllner
Foto: Mauricio Bustamante