Die Kunst zur Geschichte
„Hören ist komisch“
Die Geschichte von
Jens Cormann
Hallo Jens, wie kamst du zu Hinz&Kunzt?
Jens: Also ich bin jetzt ungefähr 10-15 Jahre bei Hinz&Kunzt. Da habe ich als Verkäufer angefangen und mehrere Bereiche gemacht, wie Othmarschen und so weiter. Ich komme überwiegend aus Bremerhaven. Da bin ich aufgewachsen. Geboren bin ich aber in Nordrhein-Westfalen in Rheda-Wiedenbrück. Und dann gab es natürlich ein paar Probleme mit meiner Mutter. Erst war ich früher schwerhörig als Baby, bis zum zehnten Lebensjahr. Und dann habe ich so Pockenröhrchen reingekriegt. Haben eine Operation gemacht. Und dann konnte ich wieder hören. Das war sehr komisch. Und dann haben wir an verschiedenen Orten gewohnt. Wir sind viel umgezogen. Mit meinem Vater war nicht so das Prickelnde, weil er Alkoholiker war und er hat uns dann auch immer geschlagen. Ein Jahr später habe ich dann angefangen, Hinz&Kunzt zu verkaufen, weil mich der Geschäftsführer Jens Adel, der Ehemalige, angesprochen hatte, ob ich nicht Zeitungen verkaufen möchte. Klar, warum nicht, kann ich ja mal versuchen. Und so hatte ich einen Lebensverdienst, mein Taschengeld so gesagt.
Vor Hinz&Kunzt musstest du viele Jahre Platte machen. Wie hat sich das für dich angefühlt?
Jens: Ich hatte zehn Jahre Platte gemacht, bei Karstadt in der Mönckebergstraße gegenüber dem Kino. Ich habe das natürlich immer mit Erlaubnis von Karstadt gemacht. Natürlich erst gefragt, ob ich das darf oder so. Und dann haben die gesagt: “Ja, klar, solange du deinen Platz sauber hältst und den sauber wieder hinterlässt. Dann darfst du so lange bleiben, wie du willst, das ist kein Problem.” Und das habe ich dann natürlich auch gemacht. Ich habe ja keinen Alkohol und keine Drogen genommen. Auch als ich auf der Straße gelebt habe, war das immer No go für mich. Und ich habe immer meinen Kaffee getrunken abends. Das war mein Ersatz für Alkohol oder Drogen.
Ja, und seitdem ich hier wohne, im Haus, habe ich jetzt auch angefangen, meine Spielsucht zu beenden. Ich hatte eine Spielsucht. Ich habe mich jetzt in Spielhallen sperren lassen. Komplett überall. Ich komme nirgendwo mehr rein. Erst habe ich überlegt, ob ich eine Therapie mache, aber die brauche ich nicht. Solange ich hier bei Hinz&Kunzt bin und meine Zeitung verkaufe, brauche ich keine Therapie. Ich verkaufe meine Zeitung und dann abends gehe ich nach Hause. Was ich früher nicht gemacht habe. Ich habe damals meine Zeitung verkauft und der erste Weg war in die Spielhalle.
Also auf jeden Fall das Zeitungverkaufen macht mich glücklich. Da bin ich unter Menschen. Und ich lerne auch neue Menschen kennen. Und so sind ja auch überwiegend ältere Leute, die auch alleine sind. Die setzen sich dann neben dich und dann geben sie auch mal einen Kaffee aus und sagen: „Komm, lass uns mal unterhalten.“ Dann erzählen sie ihre Geschichten von früher und so.
Die Isolation hat dich besonders mitgenommen, sagtest du.
Jens: Man wird einsam, wenn man nicht so viele Kontakte hat. Weil ich auch Alleingänger war. Ich habe mir nicht mit jemand anderem die Platte geteilt oder so? Das wollte ich auch nicht. Deswegen habe ich mir auch einen Platz gesucht, wo viel Verkehr ist, sowie viele Busse vorbeifahren und/oder viel Polizei ist. Und Hinz&Kunzt ist auch so wie eine Familie.
Wenn man nichts hat, dann kann man nach Hinz&Kunzt gehen, einen Kaffee trinken, sich unterhalten, mit den Mitarbeitern und so weiter. Ich bin auch mit vielen von den Mitarbeitern sehr gut befreundet. Ich habe auch einen ganz guten Freund, der Dominic bloggt. Kennt ihr bestimmt auch. Der, der den Duschbus gemacht hat.
Vielen Dank für den Blick in deine Lebensgeschichte, Jens.
Jens: Habe ich gern gemacht.