Die Kunst zur Geschichte

„Ankommen“

Ankommen

Die Geschichte von

Ferenc H.

Ferenc hat in Ungarn das Nötigste gepackt. Anderswo kann es nur besser werden. So betritt er an einem Herbsttag im September 2012 zum ersten Mal den Hamburger Hauptbahnhof. Er ist einer von damals bis zu 450.000 Menschen, die hier täglich aus- und umsteigen, weiter hetzen oder darauf warten, dass irgendwann bessere Zeiten kommen. Aber in Hamburg wartet niemand auf einen 33-Jährigen mit Hauptschulabschluss, der kaum Deutsch spricht. Auf Baustellen können sie seine starken Arme gebrauchen, immerhin. Der Lohn langt aber nicht für ein Zimmer.

Nachts, auf dem Gehweg, hält er sich an der Hoffnung auf ein besseres Leben fest. „Ich habe mit halb offenen Augen geschlafen, weil ich Angst hatte, dass mich jemand tritt oder Feuer legt“, sagt er. 

In der Bahnhofsmission hört er von Hinz&Kunzt. „Ich hatte noch nie Zeitungen verkauft, anfangs war das nicht leicht“, sagt er. „Wenn man nur da steht, kaufen die Leute nicht.“ Er lernt, Passant:innen anzusprechen, immer freundlich. Manchmal klappt das nicht. Ferenc ist oft allein. Zu oft. Er wird depressiv und fängt an zu trinken. 

Dann kommt Rickie. „Wegen Rickie habe ich Schluss gemacht mit dem Alkohol“, sagt Ferenc. Für den braunen Spitzmischling muss er jeden Tag aufstehen, Futter besorgen – einfach da sein. Einmal langt nachts einer in seinen Schlafsack und will den Hund klauen, „aber Rickie hat Alarm gemacht“, sagt Ferenc. Spitz passt auf ! Ein anderes Mal bietet ihm ein Vater 2000 Euro, weil seine Kinder den süßen Hund so gern haben wollen. Ferenc schüttelt den Kopf: Würde man ein Familienmitglied verkaufen? Lieber putzt er Toiletten, Kindergärten, nimmt Gelegenheitsjobs an und findet eine Teilzeitstelle in einer Reinigung. 

Nachts schläft er jetzt in Notunterkünften und Containern und schließlich in seinem alten Bus. Das Geld dafür hat er eisern gespart, damit Rickie nicht mehr Platte machen muss. Beim Zeitungsverkauf lernt er eines Tages einen älteren Mann kennen, der ein Zimmer frei hat. Ferenc erledigt dessen Einkäufe und hilft im Haushalt und Garten. „Aber der Mann ist leider kurze Zeit später gestorben – Alkohol“, sagt er. 

Wieder geht es von Notunterkunft zu Notunterkunft. Ferenc ist gestresst, seine psychischen Probleme kehren mit Wucht zurück. Eine Therapie wegen seiner Depressionen bricht er nach zwei Tagen überfordert ab. 

Was Ferenc hält: Rickie, der Zeitungsverkauf und seine Hoffnung. „In Hamburg gibt es viele nette Menschen, die mir einen Kaffee schenken und sich mit mir unterhalten“, sagt er. Mithilfe von Sozialarbeiter:innen findet Ferenc sieben Jahre nach seiner Ankunft in Hamburg endlich seine erste eigene Wohnung: klein, aber fein und vor allem hundefreundlich. Wünscht er sich noch etwas? Eine Teilzeitstelle wäre schön, sagt er. Am liebsten irgendetwas in der Natur, als Gärtnergehilfe vielleicht. Zupacken kann Ferenc ja. 

Noch mehr von Ferenc:

Credits:
Text: Simone Deckner
Foto: Mauricio Bustamante

30 Kunstwerke, geschaffen von 30 Hinz&Künztlerin:innen

Für weitere Informationen klicke einfach auf eines der folgenden Kunstwerke.

Am 22. November wurde ein Teil der Homeless Gallery zusammen mit zahlreichen Kunstwerken und Auktionslosen, die namhafte Künstler*innen gespendet hatten, versteigert. Mehr als 40.000 Euro kamen an diesem Abend für das Straßenmagazin Hinz&Kunzt zusammen.

 

Die Werke der Homeless Gallery, die im Rahmen der Auktion aufgrund der Vielzahl nicht unter den Hammer kommen konnten, können ab sofort über einen Auktions-Nachverkauf erworben werden.

Jedes Bild aus der Homeless Gallery ist ein Unikat, zu dem es ein Echtheitszertifikat gibt. Alle Erlöse des Nachverkaufs fließen vollständig an Hinz&Kunzt, die gemeinsam mit einer Hamburger Stiftung neuen Wohnraum für Obdachlose schaffen.

„Wir freuen uns sehr, über das große Interesse an der Homeless Gallery und den Lebensgeschichten ihrer Künstlerinnen und Künstler”, sagt Hinz&Kunzt Geschäftsführer Jörn Sturm. „Es zeigt, dass wir mit der Ausstellung einen Nerv getroffen haben und dass die Menschen unseren Einsatz für Obdach- und Wohnungslose schätzen. Natürlich sind wir sehr glücklich über den Erlös, den die Versteigerung eingebracht hat, und möchten uns herzlich bei allen Besucher*innen, Mitbietenden und Käufer*innen bedanken.”

Auch eine kleine Auswahl an weiteren Kunstwerken kann noch erworben werden. Der Nachverkauf-Katalog ist hier zu finden: